Mammalogie
Wildtier des Jahres
Wildtier des Jahres: Der Maulwurf
Zum „Wildtier des Jahres 2020“ wurde von der Deutschen Wildtier-Stiftung ausgerechnet der Maulwurf gekürt – obwohl man den ja eigentlich
nie sieht ! Aber seine markante Gestalt ist unverwechselbar: jedes Kind ab dem Bilderbuch-Alter kennt den gedrungenen Typ mit dem
rätselhaften Namen… und sei es als „Grabowski“ oder „kleinen Maulwurf“ im Trickfilm.
Präparat eines Europäischen Maulwurfs
Woher der Name kommt?
„-Wurf“: na klar, vom schwungvoll aus dem Boden beförderten Erdreich…das in der altdeutschen Sprache mu = (weiche) Erde heißt und
irgendwann zu „Maul“- wurde.
Und die Haufen ? Kommen anscheinend nur als „Abraum“ nach oben, haben aber eine wichtige Funktion für die Belüftung der Tunnelanlagen.
Unser einheimischer Maulwurf, der Europäische Maulwurf (Talpa europaea), ist der einzige Vertreter der Familie Talpidae in Mitteleuropa,
und gehört zur Ordnung der „Insektenfresser“ (Eulipotyphla). Er wird 12 bis 16 cm lang (incl. ca. 4 cm Schwanz) und um die 100
Gramm „schwer“.
Das Leben im Erdboden hat diese kleinen Säugetiere geformt: walzenförmiger Körper, tüchtige Schaufel-Hände zum Graben und ein
schwarzes Pelzchen ohne „Strich“, mit dem er reibungsarm vor- und rückwärts durch seine Tunnels kommt. Die Äuglein taugen nur zur
Hell-Dunkel-Unterscheidung, der Gehörsinn ist trotz fehlender Ohrmuscheln wohl sehr scharf. Maulwürfe können sich mit speziellen
Tasthaaren an der Schnauze und am Schwanz in den Gängen orientieren. In der Haut der Rüsselnase (die mit einem Knochen verstärkt ist)
liegt das „Eimersche Organ“, das nur bei Maulwürfen vorkommt, und die Wahrnehmung von minimalen Bodenerschütterungen und sogar von
Muskelkontraktionen der Beutetiere ermöglicht.
Die berühmten Maulwurfsgänge, unterirdische Tunnelsysteme, werden vor allem zum Nahrungserwerb gebraucht. Sie können bis zu 200 m lang
werden und bis 1 m tief unter der Erde liegen. Hier fängt der Maulwurf seine Beutetiere: hauptsächlich Regenwürmer, daneben stehen – je
nach Angebot – auch Insektenlarven, sonstige Wirbellose und evtl. kleinere Wirbeltiere am Speiseplan. Ins Gangsystem integriert sind auch
Schlafkessel und Jungen-Aufzuchtnester mit Laub- und Graspolstern, und - besonders wichtig: Vorratskammern mit durch Biss gelähmten
Beutetieren, denn der kleine, agile Säuger muss täglich mindestens die Hälfte seines Eigengewichts fressen und kann maximal 24 Stunden
ohne Nahrung überleben.
Maulwürfe haben keinen ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus. Sie sind meist vormittags, nachmittags und gegen Mitternacht etwa 4 bis 5 Stunden
lang aktiv, mit ebenso langen Ruhezeiten dazwischen. Sie halten keinen Winterschlaf, sondern sind bei Frost in tieferen Bodenschichten aktiv.
Maulwürfe sind Eigenbrödler und jeder hat sein eigenes mit Duftsekreten markiertes Tunnelsystem. Die Paarung erfolgt kurzfristig im Frühjahr,
die Tragzeit dauert ca. einen Monat. Die anfangs nackten, blinden und nur 3 – 5 cm großen Jungen werden im Nest vier bis sechs Wochen lang
gesäugt, mit ca. zwei Monaten selbständig und können sich nach dem nächsten Winter fortpflanzen. Das maximal registrierte Alter von ca. 6
Jahren erreichen die wenigsten „Grabowskis“.
Viele unerfahrene Jungtiere kommen auf der Suche nach eigenen Revieren ums Leben, Feinde sind z. B. Greifvögel und Raben, Störche, Katzen,
Marder, Füchse oder Wildschweine. Auch Hochwasser und Bodenfrost können die Maulwürfe dezimieren, …
… und natürlich der Mensch mit seinen Aktivitäten: zuvorderst mit der Landbewirtschaftung auf Wiesen und Feldern (Tiefpflügen),
dann mit der Bodenversiegelung durch Bebauung, und nicht zuletzt die Gärtner – wegen seinen Haufen…
Nochmal speziell zu diesen (die auch schon für spezielle Kuchen Pate standen):
Charakteristisch für den Maulwurfshügel ist die „vulkanähnliche“ Form mit einem Auswurfloch in der Mitte. Zur Unterscheidung von den
Wühlmäusen (die wegen dem Wurzelfressen unbeliebt sind): deren Erdauswurf ist flacher, das Loch liegt neben dem Hügel und die Erde
enthält Wurzeln. Allerdings können Wühlmäuse auch Maulwurfsgänge nutzen, um Pflanzenwurzeln zu befressen (was Maulwürfe nie täten).
Maulwurfgänge führen meist tief hinab, mit senkrechten Fluchtgängen, Wühlmausgänge sind i. d. R. flach – im Bereich der Pflanzenwurzeln.
Der Bestand des Europäischen Maulwurfs ist europaweit nicht gefährdet. In Deutschland ist die Art gemäß der Bundesartenschutzverordnung
besonders geschützt. Daher verbietet es § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes, diesen Tieren nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen
oder zu töten. Einzig die Vergrämung mit ökologischen Mitteln, wie etwa bestimmten Geruchsstoffen, ist erlaubt. Eine Empfehlung lautet,
den Garten naturnah zu gestalten und so den natürlichen Kontrahenten einen Lebensraum zu bieten.
Wer meint, die Tierwelt in Nützlinge / Schädlinge einteilen zu müssen, wird den Maulwurf eher zu den „Guten“ zählen, wegen Engerling-Vertilgen
und Bodendurchlüftung, oder als Lästling, bzw. als Sparringspartner am grünen Rasen? 🙂
Doris Heimbucher
Diplombiologin
Systematik:
Klasse:
Säugetiere (Mammalia)
Ordnung:
Insektenfresser (Eulipotyphla)
Familie:
Maulwürfe (Talpidae)
Gattung:
Eurasische Maulwürfe (Talpa)
Art:
Europäischer Maulwurf (Talpa europaea)
Skelett einer Europäischen Maulwurfs
Sammlung der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg